Nordamerika: Technologische Entwicklungen und Marktchancen fördern das Branchenwachstum

Länderreport im Vorfeld der K 2019

Boeing testete Anfang 2019 den Prototypen eines autonomen Flugtaxis

Die Kunststoffindustrie in Nordamerika, an deren Spitze die USA stehen, hat dieses Jahr gute Geschäftsergebnisse vorzuweisen. Absatz-, Umsatz- und Wachstumsindikatoren weisen auf eine positive Entwicklung in absehbarer Zukunft hin. Zu den wachstumsfördernden Faktoren zählen die digitale Revolution in Sachen Steuerung und Maschinenkommunikation, die die Prozesse und die Automatisierung erheblich voranbringt und sich vorteilhaft auf die Produktivität, Wirtschaftlichkeit bei der Fertigung und Qualität auswirkt; neue und sich verändernde Märkte, die eine Nachfrage nach Kunststoffanwendungen schaffen; sowie ein wirtschaftsfreundliches Klima in den USA, das sich mit Donald Trump als Präsident seit 2017 durch niedrigere Bundessteuern, höhere Staatsausgaben und eine Lockerung vieler belastender Vorschriften auszeichnet. Auf der K 2019 werden 100 US-amerikanische und 18 kanadische Unternehmen vertreten sein, rund 8.500 nordamerikanische Fachbesucher reisten beim letzten Mal zur weltweiten Nr. 1 Messe für Kunststoff und Kautschuk nach Düsseldorf. Grund genug, um sich im Vorfeld der K 2019 die dortige wirtschaftliche Situation und die Marktbedingungen speziell für die Kunststoffindustrie einmal genauer anzusehen.

Die Investitionsausgaben für die Umsetzung von I4 und ähnlichen Automatisierungslösungen mögen für Endverbraucher zwar abschreckend wirken, doch Anbieter halten dagegen, dass sich die Kosten bereits nach einem Jahr oder sogar noch früher amortisieren und die Vorteile für die Produktivität, Qualität, Wirtschaftlichkeit und Wettbewerbsfähigkeit die Kosten aufwiegen. Zu den Anwendern digitaler Technologien in den USA zählen aus diesem Grund sowohl mittlere und sogar kleinere Unternehmen als auch große Hersteller. Für wen die I4-Automatisierung attraktiv ist, ist größtenteils nicht abhängig von der Unternehmensgröße, sondern von der Art der Produktion. Bei medizinischen, elektronischen und Fahrzeugteilen beispielsweise herrschen hohe Qualitätsanforderungen und eine fortschrittliche Automatisierung ist der Preis für den Markteintritt.

Die Automatisierung hat auch Schattenseiten, zumindest wenn es nach den Kritikern geht. Sie behaupten, die Automatisierung koste Menschen Arbeitsplätze und Regierungen Steuereinnahmen durch freigesetzte Arbeitskräfte. Zeitweise kommen Initiativen zur Besteuerung von Robotern auf. In den USA stammt der aktuellste Vorschlag aus Chicago, Illinois. Dort will ein Stadtbeamter auf jeden Roboter eine jährliche Steuer erheben, die dem Jahresgehalts aller durch den Roboter ersetzten Arbeitskräfte entspricht. Bisher hat noch keine Stadt und kein Bundesstaat in den USA ein Gesetz zur Besteuerung von Robotern verabschiedet. Auch das EU-Parlament lehnte eine solche Maßnahme ab. Südkorea ist das einzige Land, in dem ein ähnlicher Gesetzesentwurf verabschiedet wurde. Dort hat die Regierung allerdings für Unternehmen den Steuerabzug für Roboter, die menschliche Arbeitskräfte ersetzen, aufgehoben, statt Steuern auf deren Verwendung zu erheben.

Aktuell ist es jedoch eher unwahrscheinlich, dass Menschen massenweise durch Roboter ersetzt werden. Roboterhersteller sagen, dass betroffene Arbeitskräfte in der Regel in höhere Positionen versetzt werden, wenn Hersteller bei sich Roboter einsetzen. Da die Industrie in den USA die Vollbeschäftigung erreicht hat, wollen Unternehmen auch keine Arbeitskräfte verlieren.

Blick in die Zukunft

In den nächsten Jahren werden neue und sich verändernde Märkte eine Reihe innovativer Anwendungen mit sich bringen. Dabei ergeben sich besonders in zwei Bereichen große Geschäftschancen für die nordamerikanische Kunststoffindustrie: Elektro- und autonome Fahrzeuge. Elektrofahrzeuge (EVs) sind in Nordamerika weit verbreitet, auch wenn sie im Vergleich zur Zahl der Autos und Lastwagen mit Verbrennungsmotor schwächer vertreten sind. Doch EVs sind abhängiger von Kunststoffen: Sie müssen ein bestimmtes Gewicht erreichen, um mit einer angemessen großen Batterie eine optimale Reichweite zu erzielen. Ist das Gewicht des Fahrzeugs zu groß, muss eine unverhältnismäßig große Batterie eingesetzt werden, die übermäßig viel Platz des Innenraums beansprucht. Dadurch wiederum müssen Abstriche beim Fahrzeugdesign und Fahrgastkomfort gemacht werden.

Auch in autonomen Fahrzeugen (AVs), die entweder über einen elektrischen Antrieb oder manchmal auch über einen Wasserstoffantrieb verfügen, werden viele Kunststoffe und Verbundwerkstoffe zum Einsatz kommen. Unabhängig von der Antriebsart spielt auch hier das Gewicht eine große Rolle, um eine maximale Reichweite zu erreichen. Alle traditionellen Automobilhersteller in den USA entwickeln autonome Fahrzeuge. Auch Wettbewerber aus anderen Ländern mit Produktionsstätten in Amerika, wie Daimler, Volkswagen Group und BMW, sowie junge Unternehmen wie Tesla und Waymo sind in diesem Bereich tätig.

OEMs im Automobilbereich rechnen damit, bereits 2022 mit dem Verkauf von begrenzt selbstständig fahrenden AVs zu beginnen und spätestens 2030 vollständig autonome Fahrzeuge auf den Markt zu bringen. Neben dem elektrischen Antrieb sind autonome Fahrzeuge auch sonst mit viel Elektronik ausgestattet: Sie sind verbunden mit Kommunikationsgeräten wie Smartphones, dem Internet und natürlich Hightech-Sensoren und Lidar-Systemen (Light Detection and Ranging), die das autonome Fahren ermöglichen. Laut Aptiv (früher Delphi Automotive Systems), einem Unternehmen, das auf Elektronik für autonome Fahrzeuge spezialisiert ist, wird bis 2020 jedes Auto mit einigen autonomen Funktionen 100.000 Daten pro Mikrosekunde übertragen. Aktuell liegt die Datenübertragungsrate autonomer Fahrzeuge bei 15.000 Daten pro Mikrosekunde.