Durchbruch in der Mikrofertigung durch Kombination von Mikrospritzguss mit Hochpräzisions-3D-Druck
Nano-Voxel fertigt Mikroteile in nur zwei Wochen dank Rapid Prototyping
Freitag, 12. Juli 2024
| Redaktion
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Im 3D-Druck hergestelltes Array von Mikro-Nadeln im Vergleich mit einer Kugelschreiber-Spitze: Hochpräziser 2PP-Druck ermöglicht die Herstellung unübertroffen scharfen Kanten
Im 3D-Druck hergestelltes Array von Mikro-Nadeln im Vergleich mit einer Kugelschreiber-Spitze: Hochpräziser 2PP-Druck ermöglicht die Herstellung unübertroffen scharfen Kanten, Bild: Nano-Voxel

Durch die Kombination des hochpräzisen Zwei-Photonen-Polymerisation-µ-3D-Drucks mit der Leistungsfähigkeit einer 15-Tonnen-Micropower-Spritzgießmaschine von Wittmann Battenfeld ist es Nano-Voxel gelungen, die Fertigungszeit für hochpräzise Mikroteile auf nur zwei Wochen zu verkürzen. Die Kombination beider Fertigungsverfahren ermöglicht eine extrem schnelle Herstellung von Prototypen. Sie eröffnet neue Konstruktions- und Designmöglichkeiten für viele verschiedene Industriezweige. In ersten Anwendungen in der Biomedizin und der Unterhaltungselektronik erlaubt dieser Durchbruch die Herstellung komplexer Mikroteile mit bisher unerreichter Präzision und Designfreiheit. Dieses neuartige Verfahren, das von Nano-Voxel entwickelt wurde, stellt einen bedeutenden Fortschritt in der effizienten und kundenspezifischen Herstellung von Mikroteilen dar.

In verschiedenen Industriezweigen wie der Biomedizin oder der Unterhaltungselektronik gewinnen hochpräzise Mikroteile zunehmend an Bedeutung. Die meisten Anwendungen, die in diesem Bereich entwickelt werden, erfordern hochgenaue Konstruktionen und schnelle, kontinuierliche Anpassungen, was eine Herausforderung für herkömmliche Fertigungsverfahren darstellt. Mit den bisher üblichen subtraktiven Fertigungsverfahren wie CNC, EDM, Maskenlithographie oder SLA-3D-Druck ist es schwierig, bestimmte Bauteiltypen schnell und präzise herzustellen, wie beispielsweise Mikrodiffusoren für akustische Anwendungen mit 3D-Formen im Bereich 70 Mikrometer, Mikrolinsen mit Rauheiten unter zehn Nanometer oder Mikronadeln mit fünf Mikrometer feinen Spitzen, Mikrodüsen mit Öffnungen unter 20 Mikrometer oder Mikrofluidik-Chips mit speziellen Filtern. Durch die Kombination hochentwickelter additiver Fertigungsverfahren wie dem Zwei-Photonen-Polymerisations-µ-3D-Druck (kurz 2PP 3D-Druck) und dem Mikrospritzguss ist es erstmals möglich, diese technologische Barriere in der Werkzeugherstellung zu überwinden. Die dafür notwendige Expertise ist die besondere Stärke des Start-up Unternehmens Nano-Voxel, das 2022 in Wien mit dem Ziel gegründet wurde, den Industriestandard für solche Mikrobauteile zu revolutionieren.

Pionierarbeit bei der Entwicklung spezieller Spritzgießmaschinen

Vor rund zwei Jahrzehnten leisteten einige Maschinenbauer Pionierarbeit bei der Entwicklung spezieller Spritzgießmaschinen, darunter Wittmann Battenfeld mit seiner „Micropower 15 t“. Diese Anlagen sind maßgeschneidert für die Produktion von Präzisionsteilen im Mikrobereich und bieten industrielle Modularität sowie erhebliche wirtschaftliche Vorteile. Spritzgießwerkzeuge sind trotz aller Fortschritte im Formenbau der limitierende Faktor für eine effiziente Produktion. Sie unterliegen Designeinschränkungen, hohen Anschaffungskosten und langen Lieferzeiten, insbesondere für hochpräzise Mikroteile. Größere Toleranzen (± 30 Mikrometer) werden von den Kunden nur zögerlich akzeptiert, aber die Forderungen nach kürzeren Lieferzeiten und kleineren, präziseren Details werden immer lauter, insbesondere bei der Entwicklung von Prototypen. Die langen Fertigungszeiten für Spritzgusswerkzeuge verzögern die Lieferzeiten erheblich. Auch die Dauer der Optimierungsschritte, die letztendlich zu einem qualitativ hochwertigen Bauteil führen, darf nicht vernachlässigt werden.

Mit dem 2PP µ-3D-Drucker wurde in den letzten Jahren ein Durchbruch hinsichtlich Präzision und Wirtschaftlichkeit erzielt. Dieser Drucker funktioniert nach dem Prinzip der nichtlinearen Photonenabsorption, der sogenannten „Zwei-Photonen-Polymerisation“ (2PP). Ein Femtosekundenlaser emittiert einen eng gebündelten Strahl, der auf lichtempfindliches Harz einwirkt. Die Scannereinheit bewegt den Laserstrahl über Galvospiegel und Linsensysteme, um das Harz auszuhärten. Ähnlich wie beim SLA/DLP-3D-Druck löst das absorbierte Licht eine chemische Reaktion im Harz aus, wodurch es im Brennpunkt des Laserstrahls polymerisiert und aushärtet. Im Gegensatz zu herkömmlichen 3D-Drucktechnologien ermöglicht die 2PP-Technologie jedoch eine präzise Steuerung in allen drei Raumrichtungen, so dass auch Löcher und Hohlräume präzise und vollkommen rund dargestellt werden können. Damit bietet der 2PP-Druck ein einzigartiges Maß an Präzision und Auflösung, das mit den meisten anderen Fertigungstechnologien nicht erreicht werden kann. Er ermöglicht die Abbildung komplexer 3D-Mikrostrukturen mit Submikrometer-Genauigkeit bis in den Nanometerbereich. Dies macht ihn zum geeigneten Werkzeug für Anwendungen mit besonders komplexen Strukturen und gleichzeitig hohen Anforderungen an die Oberflächenqualität. Für den 2PP-Druck stehen verschiedene lichtempfindliche Harze zur Verfügung, darunter Photopolymerharze und Hybridmaterialien. Diese Materialien werden je nach spezifischer Anwendung oder Anforderung ausgewählt, abhängig von den mechanischen, optischen und chemischen Eigenschaften, die für die jeweilige Bauteilspezifikation erforderlich sind. 

Mikroteile können mit 2PP-Druckern innerhalb weniger Stunden aus einer 3D-CAD-Datei gedruckt werden, und zwar mit einer Präzision, die selbst mit den modernsten Maschinen von konventionellen Werkzeugherstellern nicht erreicht werden kann. Toleranzen von weniger als ein Mikrometer, Strukturen im Bereich von 200 Nanometern und Oberflächengüten mit einer mittleren Rauheit von weniger als zehn Nanometern können mit diesem fortschrittlichen additiven Fertigungsverfahren schnell und wirtschaftlich hergestellt werden. Geometrien, die im Spritzguss beispielsweise aufgrund von Hinterschneidungen nicht realisierbar sind, können mit dem 2PP 3D-Druck schnell hergestellt werden. Ein Nachteil dieses Verfahrens ist derzeit noch die begrenzte Kapazität für die Großserienfertigung, die es für Teile größer als einige Millimeter unwirtschaftlich macht.

Nano-Voxel verbindet 2PP-Druck mit Mikrospritzguss

Angesichts der Einschränkungen sowohl beim Mikrospritzguss als auch beim Mikro-3D-Druck stellt sich die Frage, was noch verändert werden kann, um die Durchlaufzeiten ohne Einbußen bei der Präzision zu erhöhen. Als Lösung kombiniert Nano-Voxel die Vorteile beider Verfahren, indem es den 2PP-Druck mit dem Mikrospritzguss als Kerngeschäft des Unternehmens verbindet. Durch die schnelle Herstellung hochpräziser Werkzeuge für den Mikrospritzguss mittels 2PP-3D-Druck wird die Präzision und hohe Auflösung des 2PP-Verfahrens mit größtmöglicher Effizienz auf Mikrospritzgussteile übertragen.

Nano-Voxel hat sich zum Ziel gesetzt, eine One-Stop-Service-Plattform mit einem flexiblen und vielseitigen Angebot an Fertigungslösungen aufzubauen, um eines der fortschrittlichsten Unternehmen im Bereich der Mikrofertigung zu werden. Das Team von Nano-Voxel, das sich aus Fachleuten verschiedener Disziplinen zusammensetzt, kombiniert die verschiedenen Technologien, um als Dienstleister ein breites Spektrum vom Prototyp bis zur Serienfertigung abdecken zu können. Durch diesen Service konnte die Realisierungszeit von Strukturen auf Lieferzeiten von nur zwei Wochen verkürzt werden. Das Unternehmen hat einen Durchbruch im Bereich des Spritzgießens von Mikroteilen erzielt, der bisher nicht für möglich gehalten wurde, und ermöglicht das Abformen von winzigen, detaillierten Strukturen mit hoher Präzision und Wiederholgenauigkeit. Die Toleranzen liegen im Bereich weniger Mikrometer. Darüber hinaus ermöglicht der hochpräzise 2PP-3D-Druck auch die Herstellung von Kavitäten für größere Teile mit Strukturen im einstelligen Mikrometerbereich, deren Herstellung heute extrem zeitaufwändig, teuer oder gar unmöglich wäre.

Entwicklung und Herstellung eines Endoskops für „aiEndoscopic“

Die Entwicklung und Herstellung eines Endoskops für „aiEndoscopic“ ist ein Beispiel für die von Nano-Voxel angebotenen Dienstleistungen. Zu Beginn der Prototypenentwicklung wurden die einzelnen Segmente des Endoskops 3D-gedruckt, um Geometrietests und Optimierungen in verschiedenen Designvarianten durchzuführen. Nach der Validierung des Designs durch den Kunden wurden anschließend Teile im Mikrospritzguss mit dem spezifizierten Originalmaterial hergestellt. Somit konnten die Bauteile auf die gewünschten mechanischen und funktionellen Spezifikationen mit dem Originalmaterial getestet und validiert werden. Der gesamte Fertigungsprozess inklusive Nacharbeit wurde innerhalb von fünf Wochen abgeschlossen. Durch die Kombination verschiedener Verfahren wie Mastering, Gießen, Sintern und µ-Spritzgießen können Werkzeuge nicht nur aus Photopolymeren, sondern auch aus robusteren Rohstoffen wie Epoxidharz, Glas, Keramik oder Metall mit höchster Präzision hergestellt werden.

Um höchste Präzision der Werkzeuge zu erreichen, setzt Nano-Voxel auf die „MicroPower 15 t“ von Wittmann Battenfeld, einem führenden Hersteller von Spritzgießmaschinen und Automatisierungslösungen. Mit einer Schließkraft von 150 Kilonewton sind die Maschinen der Micropower-Baureihe speziell für die wirtschaftliche Fertigung von Kleinstteilen bis in den Mikrobereich mit höchster Präzision und Wiederholgenauigkeit ausgelegt. Ein zweistufiges Schnecken-Kolben-Spritzaggregat mit einem Schussvolumen von 1,2 bis sechs Kubikzentimeter sorgt für thermisch homogenes Einspritzen. Auf diese Weise lassen sich Teile höchster Präzision in einem höchst stabilen Produktionsprozess mit sehr kurzen Zykluszeiten herstellen. Die besondere Konstruktion der Maschine ermöglicht es, mit dem Einspritzkolben bis nahe an die Trennebene des Werkzeugs zu fahren. Dadurch wird das Massepolster auf ein Minimum reduziert. Darüber hinaus ist die Maschine bereits in der Standardausführung optimal für die Produktion unter Reinraumbedingungen ausgelegt, da sie als allseitig geschlossene Gehäusezelle ausgeführt ist. Die Gehäusezelle bietet ausreichend Platz für die Integration von Ausstattungsoptionen wie Drehtisch, Roboter, Materialtrockner oder Temperiergeräte. Roboter und Peripherie von Wittmann wurden speziell für diese Maschine entwickelt. Alle Antriebsmodule des vollelektrischen Antriebssystems einschließlich aller mechanischen Komponenten sind in reinigungsfreundlichen Gehäusen gekapselt. Das präzise geregelte Einspritzen von thermisch homogenen Thermoplasten in außergewöhnlich kleinen Mengen ist eine zwingende Voraussetzung für das erfolgreiche Spritzgießen von Präzisionsteilen in gleichbleibend hoher Qualität bei der Massenproduktion im Mikrobereich.

Kleinste Details direkt auf sperrige oder größere Bauteile drucken

Die Kombination von 2PP-Druck und Spritzguss im Mikro-Bereich ist nicht nur auf die schnelle Entwicklung von Präzisionswerkzeugen beschränkt. Nano-Voxel ist auch in der Lage, verschiedenste Materialien, die mit anderen Verfahren hergestellt wurden, direkt zu bedrucken und somit unterschiedliche Materialeigenschaften zu kombinieren, wie beispielsweise Glas, Keramik, Kohlenstoffsubstrate, Metalle oder auch Kunststoffe. Die Möglichkeit, verschiedene Materialien für unterschiedliche Funktionen zu kombinieren, ermöglicht maßgeschneiderte und schnelle Lösungen bei der Produktentwicklung und der Herstellung von Prototypen bis hin zur Serienfertigung. Die Kunden erhalten die Möglichkeit, kleinste Details direkt auf sperrige oder größere Bauteile zu drucken. Erste Anwendungen dieser Art wurden bereits erfolgreich in der Produktion von Mikrofluidik-Chips realisiert. Nano-Voxel druckte auf handelsübliche Mikrofluidik-Chips funktionale Strukturen punktuell auf, die im Spritzgussverfahren nicht realisierbar waren. Das Leistungsspektrum von Nano-Voxel in der Mikrofertigung eröffnet damit Designern und Ingenieuren aus verschiedenen Industriezweigen neue Gestaltungsmöglichkeiten und revolutioniert die Entwicklungs- und Herstellungsprozesse für komplexe, kundenspezifische und funktionale Bauteile im Mikrobereich.
Durch das Engagement für die Weiterentwicklung von Mikrofertigungstechnologien und die Neukonzeption von Lösungen ist Nano-Voxel bestrebt, auch für unkonventionelle Bauteilgeometrien einen kreativen, effizienten und dennoch einfachen Fertigungsansatz zu bieten.

Autor:
Martin Ganz, CTO von Nano-Voxel
 

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