Nordamerika: Technologische Entwicklungen und Marktchancen fördern das Branchenwachstum

Länderreport im Vorfeld der K 2019

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Die Kunststoffindustrie in Nordamerika, an deren Spitze die USA stehen, hat dieses Jahr gute Geschäftsergebnisse vorzuweisen. Absatz-, Umsatz- und Wachstumsindikatoren weisen auf eine positive Entwicklung in absehbarer Zukunft hin. Zu den wachstumsfördernden Faktoren zählen die digitale Revolution in Sachen Steuerung und Maschinenkommunikation, die die Prozesse und die Automatisierung erheblich voranbringt und sich vorteilhaft auf die Produktivität, Wirtschaftlichkeit bei der Fertigung und Qualität auswirkt; neue und sich verändernde Märkte, die eine Nachfrage nach Kunststoffanwendungen schaffen; sowie ein wirtschaftsfreundliches Klima in den USA, das sich mit Donald Trump als Präsident seit 2017 durch niedrigere Bundessteuern, höhere Staatsausgaben und eine Lockerung vieler belastender Vorschriften auszeichnet. Auf der K 2019 werden 100 US-amerikanische und 18 kanadische Unternehmen vertreten sein, rund 8.500 nordamerikanische Fachbesucher reisten beim letzten Mal zur weltweiten Nr. 1 Messe für Kunststoff und Kautschuk nach Düsseldorf. Grund genug, um sich im Vorfeld der K 2019 die dortige wirtschaftliche Situation und die Marktbedingungen speziell für die Kunststoffindustrie einmal genauer anzusehen.

„Wie wir herausfanden, wurden die von den USA verhängten Zölle fast vollständig auf die inländischen Preise in den USA umgewälzt, sodass die gesamten Ausmaße der Zölle auf die Verbraucher und Importeure in den USA zurückfielen (...) ohne dass es bisher Auswirkungen auf die Preise gab, die ausländischen Exporteure erzielen“, berichten Wirtschaftsforscher der New York Federal Reserve Bank. „Wir konnten auch feststellten, dass Hersteller in den USA als Reaktion auf den geringeren Importwettbewerb ihre Preise erhöhten.“ Trotz allem erwartet die Fertigungsbranche in den USA ein Wachstum. Die Mapi Foundation (Manufacturers Alliance for Productivity and Innovation) prognostizierte vergangenes Jahr, dass das gesamte verarbeitende Gewerbe in den USA zwischen 2018 und 2021 jährlich um durchschnittlich 2,8 Prozent wächst, die Ausrüstungsinvestitionen im selben Zeitraum jährlich durchschnittlich um 6,8 Prozent zunehmen, und die Exporte jährlich 6 Prozent steigen.

Positives Klima für die Kunststoffindustrie

Das alles sind gute Nachrichten für die Kunststoffindustrie, die die verarbeitende Industrie in den USA gemessen an einer Kennzahl übertrifft, nämlich den Beschäftigtenzahlen im Zeitraum 2012 bis 2017: Zahlen der Plastics Industry Association (Plastics) und Probe Economics LLC zufolge stieg die Zahl der Beschäftigten in der kunststoffverarbeitenden Industrie in diesem Zeitraum um 1,6 Prozent, während die Gesamtbeschäftigung im verarbeitenden Gewerbe in den USA um 0,9 Prozent zunahm.

In einem Bericht, der Ende letzten Jahres veröffentlicht wurde und Ergebnisse aus dem Jahr 2017 enthält, gab Plastics (früher Society of the Plastics Industry) an, dass die kunststoffverarbeitende Industrie 989.000 Arbeitsplätze in den USA schuf. Das entspricht einem Zuwachs von 2,4 Prozent im Vergleich zu 2016. Zählt man die Zulieferer mit, waren es 1,81 Millionen Arbeitsplätze. Im „2018 Size and Impact Report“, einem jährlich erscheinenden Bericht von Pia, wurde der Wert der Warenlieferungen im Jahr 2017 mit 484,1 Milliarden Euro beziffert. Das entspricht einem Anstieg von 6,9 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Zählt man die Zulieferer mit, beläuft sich der Wert der Warenlieferungen auf 661,4 Milliarden Euro - ein Anstieg von 7 Prozent im Vergleich zu 2016.

Zwar flaut das Branchenwachstum in den kommenden drei Jahren wahrscheinlich etwas ab, doch die Nachfrage nach Kunststoffprodukten in den USA und dem Rest Nordamerikas gepaart mit der Entwicklung wichtiger Endverbrauchermärkte könnten die Auswirkungen einer Konjunkturabschwächung für die Verarbeiter und Zulieferer abfedern. Da der US-Dollar im Vergleich zu anderen wichtigen Währungen relativ stabil, manchmal auch schwächer, ist, werden in den USA hergestellte Produkte sowohl im inländischen Markt als auch in Exportmärkten wettbewerbsfähig bleiben. Die kurzfristige Perspektive für die Kunststoffindustrie in den USA und Nord Amerika im Allgemeinen ist positiv.

Verbesserungen in der Automatisierung

Wie aus dem Plastics-Bericht hervorgeht, hat die US-amerikanische Kunststoffindustrie im Grunde die Vollbeschäftigung erreicht. Einzelberichte von Gießern, Strangpressern und anderen Verarbeitern zeigen, dass die meisten nur schwer Fachkräfte finden. Dieser Umstand treibt Produkthersteller, Compoundeure und andere Branchenbeteiligte dazu an, Prozesse weiter zu automatisieren.

Viele der Initiativen in diesem Bereich basieren auf Ansätzen zur Automatisierung der Industrie 4.0 (I4). Die deutsche Regierung investierte in den letzten zehn Jahren massiv in I4, mit dem Ziel die digitale Fertigung zu fördern und so die Produktivität, Produktqualität und schließlich die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern. In Nordamerika nutzen fortschrittliche Verarbeiter das Potenzial neuer und leistungsstarker Steuerungen und Softwarelösungen von Unternehmen, die sich auf diesen Bereich spezialisiert haben, darunter Siemens, IQMS/Dassault Systémes, Allen-Bradley, Omron und RJG, sowie von ausgewählten Anbietern von Ausrüstung und Robotern. So sollen vernetzte Prozesse geschaffen werden, in denen Maschinen nahtlos miteinander kommunizieren und genaue Betriebsdaten in Echtzeit liefern.

Dadurch können Produkthersteller die Qualitätskontrolle auf immer kleinere Losgrößen - gegebenenfalls sogar auf einzelne Teile - ausweiten und so sicherstellen, dass bei der Produktion die Spezifikationen des Kunden gänzlich erfüllt werden. Währenddessen statten Anbieter von Automatisierungslösungen Roboter mit visuellen Inspektionssystemen und anderen Sensoren aus, um Qualitätsprobleme zu erkennen. Diese reichen von der Gratbildung an Teilen über Oberflächenfehler bis hin zur unvollständigen Formfüllung, sogenannten „Short Shots“. Anhand dieser Daten können Verarbeitungsmaschinen oder Formwerkzeuge manuell oder automatisch angepasst und Qualitätsprobleme behoben werden.

Die Vernetzung, die I4 mit sich bringt, ist auch nützlich für die vorausschauende Instandhaltung von Maschinen, Formwerkzeugen, Werkzeugen und anderer Ausrüstung. Verarbeiter können durch das Anbringen und Überwachen von Sensoren an wichtigen Stellen erkennen, wann eine Komponente ausgetauscht werden muss. So beugen sie unerwarteten und kostspieligen Ausfallzeiten und der nicht spezifikationsgerechten Produktion vor. Softwaresysteme und Maschinensteuerungen verfügen immer häufiger über solche Funktionen. So bergen sie das Potential, vollautomatisierte Produktionsstätten zu schaffen, in denen es entweder gar keine Menschen mehr gibt, die die Maschinen bedienen, oder nur noch eine Handvoll Mitarbeiter zur Überwachung der Vorgänge.