Elektromobilität: Herausforderungen und Chancen für die Polyurethan-Industrie

Nachhaltige Lösungen

Insbesondere bei niedrigen Geschwindigkeiten sind Elektromotoren praktisch geräuschlos

Mit Entscheidung der EU zum Verbot von Verbrennermotoren in Personenkraftwagen ab 2035 lässt sich das Aus für Verbrennermotoren und die Zukunft der Elektromobilität nicht mehr aufhalten. Zweifelsohne sind für diesen Wandel noch einige Probleme zu lösen. Nicht nur die Zahl der verfügbaren Ladesäulen, der zusätzliche Bedarf an Strom aus erneuerbaren Quellen und die technischen Anforderungen an leistungsstarke Akkus mit kurzen Ladezeiten stellen immense Herausforderungen dar, sondern auch der Fahrzeugbau selbst muss in vielen Punkten neue Wege bestreiten. Der vorliegende Aufsatz zeigt an den Beispielen Batterie-Einhausung, Schall- und Wärmedämmung auf, welche Chancen sich dabei für Polyurethane ergeben.

Die Zukunft gehört der Elektromobilität

Die endgültige Entscheidung der EU zum Verbot von Verbrennermotoren in Personenkraftwagen ab 2035 ist gefallen, das Aus für die Zulassung neuer Diesel- und Benziner ist gesetzt. Lediglich die Ausnahme vom Verbrennerverbot für E-Fuels für Neuwagen weicht das vollständige Ende von Verbrennungsmotoren in der Automobilindustrie etwas auf. Klar ist jedoch, dass die Zukunft der Elektromobilität eingeläutet und nicht mehr aufzuhalten ist. Das Flottenziel der EU, den gesamten CO2-Ausstoß neuzugelassener Pkw zu reduzieren, lässt sich ohne Elektroantriebe nicht realisieren: Bezogen auf das Jahr 2021 soll der gesamte CO2-Ausstoß bis 2025 um 15 Prozent, bis 2030 um 55 Prozent und bis 2035 um 100 Prozent reduziert werden. Die oben erwähnte eventuelle Ausnahme für E-Fuels wären nur außerhalb der Flottengrenzwerte relevant, also nur für Kleinserien bis 1.000 Autos oder für Spezialfahrzeuge, z.B. Feuerwehr- oder Krankenwagen.

Zweifelsohne sind für diesen Wandel einige Probleme zu lösen. Nicht nur die Zahl der verfügbaren Ladesäulen, der zusätzliche Bedarf an Strom aus erneuerbaren Quellen und die technischen Anforderungen an leistungsstarke Akkus mit kurzen Ladezeiten stellen immense Herausforderungen dar, sondern auch der Fahrzeugbau selbst muss in vielen Punkten neue Wege bestreiten. Bei der Optimierung der Konstruktion und des Designs von Elektrofahrzeugen spielen Kunststoffe eine besondere Rolle, um neuartige Spezifikationen zu erfüllen, die im klassischen Fahrzeugbau irrelevant oder zumindest weniger wichtig waren.

Auch Urlaubsziele mit Elektrofahrzeugen erreichbar

Die begrenzte Kapazität selbst der leistungsstärksten Akkus für den Automobilbereich und deren hohes Gewicht schränken die Reichweite von Elektrofahrzeugen stark ein. Der tägliche Einkauf in der Stadt, der Pendelverkehr im Beruf oder ein Wochenendausflug sind problemlos zu bewältigen, aber eine Urlaubsfahrt ins Ausland muss gut geplant sein, nicht zuletzt wegen der derzeit noch geringen Anzahl verfügbarer Ladestationen. Um die Reichweiten zu erhöhen arbeiten Wissenschaftler rund um die Welt an verbesserten Batterie-Technologien, aber die Gesetze der Physik lassen sich nun mal nicht aushebeln. Einen weiteren vielversprechenden Ansatz zur Erhöhung der Reichweiten verfolgen viele Hersteller, indem sie sich die Reduzierung des Gesamtgewichts der Elektrofahrzeuge um bis zu 50 Prozent zum Ziel gesetzt haben. Dadurch können kleinere (und leichtere) Motoren mit geringerer Leistung eingesetzt und der Energieverbrauch für den Antrieb gesenkt werden. Hier bietet sich der Einsatz faserverstärkter Kunststoffe anstelle von Metallen für den Karosseriebau an.

Das Thema Leichtbau in Automobilanwendungen ist nicht neu. Bereits 2016 hat der FSK - Fachverband Schaumkunststoffe die Arbeitsgruppe „Leichtigkeit PUR“ ins Leben gerufen, in dem sich ein Expertengremium mit der Leichtbauweise unter dem Einsatz des Werkstoffes Polyurethan beschäftigt. Die Arbeitsgruppe „Leichtigkeit PUR“ veranstaltet halbjährlich Fachveranstaltungen, in denen Brancheninsider sowie Branchenfremde Informationen zu aktuellen Entwicklungen in speziellen Anwendungsgebieten erhalten. Die Vielzahl von Beispielen für den Einsatz von Leichtbau im Bereich Automobil aufzuzählen würde den Rahmen dieses Aufsatzes sprengen, aber die beiden Vorträge von Cannon, Hennecke, Krauss-Maffei, „PUR Verarbeitungstechnologien im Leichtbau“, FSK Tagung „Leichtbau PUR“, 2020 sowie von D. Schneider, IKV Aachen, „Leichtbau mit PUR-basierten Composites für Automotive-Anwendungen“, FSK Tagung „Leichtbau PUR“, 2022 geben einen guten Überblick über die Möglichkeiten, die Polyurethan bietet.

Wohlige Wärme auch ohne Verbrennungsmotor

Da Elektromotoren im Gegensatz zu Verbrennungsmotoren kaum Wärme abgeben, stellt die Klimatisierung des Fahrzeuginneren eine neue Herausforderung dar. Die Heizung im Winter kommt nicht mehr „frei Haus“ aus der Abwärme des Motors, sondern muss elektrisch betrieben werden ebenso wie die Kühlung im Sommer. Um die damit verbundene weitere Reduzierung der Reichweite zu minimieren, sind neue Designkonzepte des Fahrgastraumes und die Verwendung von Fahrzeugteilen mit wärmedämmenden Eigenschaften erforderlich. Hier ergeben sich insbesondere für Schaumkunststoffe, insbesondere für Polyurethanschaumstoffe, neue Chancen.

Keine störenden Motorgeräusche mehr - wirklich ein Vorteil?

Insbesondere bei niedrigen Geschwindigkeiten sind Elektromotoren praktisch geräuschlos. Das bringt aber nicht nur Vorteile mit sich, sondern birgt auch Gefahren, da Passanten langsam heranfahrende Fahrzeuge nicht hören. Daher sind gemäß einer EU-Verordnung seit 2020 Elektrofahrzeuge mit einem Sound-Generator ausgerüstet, der bis 30 km/h ein gut wahrnehmbares Geräusch erzeugt. Bei höheren Geschwindigkeiten nehmen Fahrwind und Rollgeräusche schnell zu, werden aber durch die teilweise als unangenehm empfundenen Motorgeräusche nicht mehr überdeckt. Das gilt natürlich auch für alle anderen Nebengeräusche wie zum Beispiel Knack- oder Quietschgeräusche. Daher sind für Elektrofahrzeuge völlig neue Konzepte der Schallisolierung nötig. Auch hier bieten sich Lösungen auf Basis expandierter Kunststoffe an.

Elektrofahrzeuge - Steigende Nachfrage nach geschäumten Bauteilen

Durch Anwendung expandierter Kunststoffe kann der Innenraum von Kraftfahrzeugen sowohl schall- und vibrationsgedämmt als auch wärmegedämmt werden. Daher wird die Nachfrage nach Bauteilen aus Schaumstoffen in Zukunft steigen. Mit ihrer Vielseitigkeit können Polyurethane helfen, Bauteile mit komplexen Geometrien herzustellen, die hochwertige strukturierte Oberflächen aufweisen und gleichzeitig die Anforderungen bezüglich guter Schalldämmung durch hohe Offenzelligkeit erfüllen. So produziert das Unternehmen Polytec bereits seit 2020 eine Polyurethan-Motorabdeckung für einen Mild-Hybrid-Antrieb eines deutschen Automobilherstellers in Serie. In Zukunft sollen mehr als 600.000 Einheiten dieser anspruchsvollen Abdeckung pro Jahr vom Band laufen. Darüber hinaus beschäftigen sich Material- und Prozessexperten damit, wie man zukünftig Polyurethan-Rezyklate dem Fertigungsprozess wieder zuführen kann, um Ressourcen zu schonen.