Elektromobilität: Herausforderungen und Chancen für die Polyurethan-Industrie

Nachhaltige Lösungen

Insbesondere bei niedrigen Geschwindigkeiten sind Elektromotoren praktisch geräuschlos

Mit Entscheidung der EU zum Verbot von Verbrennermotoren in Personenkraftwagen ab 2035 lässt sich das Aus für Verbrennermotoren und die Zukunft der Elektromobilität nicht mehr aufhalten. Zweifelsohne sind für diesen Wandel noch einige Probleme zu lösen. Nicht nur die Zahl der verfügbaren Ladesäulen, der zusätzliche Bedarf an Strom aus erneuerbaren Quellen und die technischen Anforderungen an leistungsstarke Akkus mit kurzen Ladezeiten stellen immense Herausforderungen dar, sondern auch der Fahrzeugbau selbst muss in vielen Punkten neue Wege bestreiten. Der vorliegende Aufsatz zeigt an den Beispielen Batterie-Einhausung, Schall- und Wärmedämmung auf, welche Chancen sich dabei für Polyurethane ergeben.

Auch Foam Partner arbeitet in Kooperation mit Rinspeed an der Entwicklung von hochwertigem Fahrzeuginterieur auf Polyurethanschaum-Basis. „Die Automobilwelt ist im Umbruch“, sagt Kay Kosar, Leiter der Globalen Geschäftseinheit Acoustic & Thermal Solutions (A&TS) bei Foam Partner. „Nicht nur Smart Cities, Autonomes Fahren, Car Sharing und Künstliche Intelligenz verlangen visionäre Mobilitätslösungen. Auch die zunehmende Elektrifizierung des Straßenverkehrs … verdeutlicht den Trend zu ganzheitlich wertschöpfenden Konzepten, die … das Fahrerlebnis signifikant steigern.“ Das von Rinspeed entwickelte Konzeptfahrzeug „microSNAP“ illustriert diesen umfassenden Ansatz. Der 2019 auf der Consumer Electronics Show in Las Vegas und auf dem Genfer Autosalon vorgestellte „microSNAP“ profitiert von mehreren innovativen Lösungen zur Schall- und Wärmedämmung auf Basis gerucharmer Polyurethanester- und Polyurethanetherschaumstoffe für Fahrzeuginterieur wie Dachhimmel, Türverkleidungen und Armauflagen.

Jeder hat sein brandgefährliches Päckchen zu tragen

In modernen Elektrofahrzeugen kommen keine klassischen Blei-Akkus, sondern Lithium-Ionen- oder Lithium-Polymer-Akkus zum Einsatz, die sich durch höhere Energiedichten pro Kilogramm auszeichnen, deren Temperaturmanagement jedoch wesentlich komplizierter ist. Um einen guten Wirkungsgrad zu erzielen, sollten Lithium-Ionen-Akkus bei Temperaturen von +20 bis +40 Grad Celsius betrieben werden. Das bedeutet, dass sie im Winter vor Fahrtantritt vorgeheizt werden sollten und dass sie im Sommer bei Gebrauch gegebenenfalls gekühlt werden müssen. Wegen der hohen chemischen Reaktivität des Lithiums besteht bei Überhitzung der Akkus Brandgefahr. Auch eine Beschädigung der luftdichten Versiegelung der einzelnen Akkuzellen, zum Beispiel bei einem Unfall, können Brände auslösen. Daher wird von den Automobilherstellern ein besonderes Augenmerk auf das Design und die mechanische Festigkeit des Batteriekastens gelegt. Eine weitere Herausforderung besteht darin, die stabile Batterieumhüllung mit möglichst niedrigem Gewicht herzustellen. Derzeit entfallen ca. 20 - 30 Prozent des Gesamtgewichts eines Fahrzeuges auf die Einhüllung der Batterie. Faserverstärkte Kunststoffe können hier helfen, Gewicht einzusparen und Akkus bei Unfällen gegen mechanische Schäden zu schützen und so Batteriebrände zu vermeiden.

Wie Polyurethane dabei helfen können, zeigt Covestro eindrucksvoll mit seinem neuen Akkukonzept. Dabei wird mittels Pultrusionstechnologie ein stabiles crashsicheres Gehäuse hergestellt und durch Verwendung wärmeleitender Lückenfüller und Kleber auf Polyurethanbasis als thermische Zwischenlagermaterialien (TIMs) die Batterieleistung verbessert. Autohersteller benötigen modulare, leichte und stabile Batterierahmen, die viele Lithium-Ionen-Akkuzellen auf begrenztem Raum aufnehmen können und dabei im Vergleich zu herkömmlichen Materialien extrem fest und steif bleiben. Mit dem etablierten Pultrusionsverfahren lassen sich Verbundrahmenteile aus langlebigem Polyurethanharz und Glas- oder Kohlefasern herzustellen: Endlosfasern werden durch eine gehärtete Pultrusionsdüse gezogen, während flüssiges Polyurethan eingespritzt wird. Das Material wird dann geformt und ausgehärtet, bevor es in die gewünschten Formen und Größen geschnitten wird. Dies ergibt ein stabiles, leichtes Batteriegehäuse in einem einzigen, kostengünstigen Herstellungsprozess.

Die so hergestellten Batteriegehäuse von Covestro übertreffen Benchmarkmaterialien in mehreren Crashtestsimulationen. Eine Reihe von Batteriegehäusekonstruktionen wurde getestet, bei denen pultrudiertes Polyurethan in der Bodenplatte, den Streben und dem Rahmen verwendet wurde. In zwei wichtigen Simulationen - einem Crashtest nach chinesischer Norm und einem Seitenpolcrashtest nach NCAP-Anforderungen - übertraf die pultrudierte Konstruktion den Benchmark aus aktuellen Materialien. Bei der Simulation wurden Energieabsorption und Verformung gemessen und die Ergebnisse zeigten eine sehr geringe Wahrscheinlichkeit einer Beschädigung der Batteriezellen mit dem neuen Design. Auch in drei „UNECE R100“-Tests zur Bewertung der mechanischen Integrität, des mechanischen Stoßes und der Vibration erzielte das Covestro-Batteriedesign hervorragende Ergebnisse.

Die Lückenfüller und Klebstoffe aus Polyurethan werden im Batteriegehäuse verbaut, um die Wärmeübertragung von den Batteriezellen zu den Kühlvorrichtungen zu verbessern. Verbesserte Wärmeleitung bedeutet ein höherer Durchsatz der Batteriezellen. TIMs, in die Polyurethane integriert sind, sind viel leichter und wärmeleitfähiger als herkömmliche Materialien auf Aluminiumoxidbasis, wodurch das Elektrofahrzeug mehr Leistung bringt und ein schnelleres Aufladen möglich ist. Außerdem isolieren sie überhitzte Zellen voneinander, wodurch die Brandgefahr verringert wird. „Dieser innovative Akkusatz bietet nicht nur Crashsicherheit und übertrifft bei Crashtests deutlich die Leistung von Benchmarkmaterialien, sondern ist zudem auch leicht und modular“, so Galen Greene, Marketing Manager Transportation, Covestro.

Vielfältige Herausforderungen - Lösungen können helfen

Batterie-Einhausungen und Schall- und Wärmedämmung der Fahrgastzelle aus Polyurethan-basierten Materialien sind nur ein kleiner Ausschnitt aus der Vielzahl möglicher Anwendungsbereiche von Kunststoffen im Elektro-Automobilbau der Zukunft. Der FSK und seine Mitglieder verfügen über eine breit gestreute Expertise zu Schaumkunststoffen und arbeiten gemeinsam an nachhaltigen Lösungen für die Zukunft der Elektromobilität.