Hybride Antriebstechnik beim Spritzgießen

Arburg kombiniert Vorteile von Elektrik und Hydraulik

Der hybride Allrounder 470 H in der Leistungsvariante Premium verfügt über eine präzise Schließeinheit mit Planetenrollengewindetrieb und eine Spritzeinheit mit Arburg Servohydraulik

Elektrische Antriebe gewinnen beim Spritzgießen gerade in Hinblick auf das Thema Energieeffizienz zunehmend an Bedeutung. Hydraulische Antriebe hingegen spielen ihre Vorzüge aus, wenn es um kraftvolles Einspritzen und Kosteneffizienz geht. Der Königsweg ist die Kombination beider Antriebstechniken. Arburg hat sie in der neuen Maschinengeneration vereint. So zeichnet sich die Jubiläumsmaschine „Allrounder 470 H“ durch geringe Anschaffungs- und Betriebskosten, einen reduzierten CO2-Fußabdruck sowie einen Energiebedarf aus, der auf dem Niveau von elektrischen Maschinen liegt.

Die hybrid angetriebenen Spritzgießmaschinen der Baureihe Hidrive (H) von Arburg kombinieren präzises elektrisches Schließen und dynamisches hydraulisches Einspritzen. Dass die Jubiläumsmaschine ein attraktives Antriebskonzept aufweist, bestätigt auch eine Umfrage unter den Besuchern der Arburg Technologie-Tage im März 2023.

Hybride Arburg-Technik

96 Prozent der Befragten bewerteten die neuen hybriden „Allrounder 470 H“ als einen passenden Ersatz für hydraulische, 95 Prozent für elektrischen Maschine. Gerhard Böhm, Geschäftsführer Vertrieb und Service bei Arburg, resümiert: „Unsere Intention, die hinter dieser Maschinentechnologie steckt, wurde von den Befragten eindeutig bestätigt und als höchst interessant bewertet, für den technischen Spritzguss genauso wie für anspruchsvolle Anwendungen zum Beispiel in der Automobil- und Verpackungsindustrie. Wir haben mit unserer hybriden Jubiläumsmaschine in drei Leistungsvarianten also den Nerv der Zeit genau getroffen. Denn sie ist energiesparend, ressourcenschonend, produktionseffizient, bedienfreundlich und zuverlässig zugleich. Zudem sind die meisten Maschinenbediener mit hydraulischen Spritzeinheiten vertraut und können deren Vorteile umfassend nutzen.“

Entwicklung und Produktion des Antriebsstrangs in eigener Hand

Durch die Eingliederung des Servomotoren-Herstellers AMK Motion in die Arburg-Familie liegen Entwicklung und Produktion des gesamten Antriebsstrangs in eigener Hand. Das gilt primär für Allrounder-Spritzgießmaschinen inklusive Umrichter und Motor und somit das Kernstück des Schließsystems, aber auch zum Beispiel für die Werkzeugtechnik. Für High-End-Spritzgießaufgaben ist der Planetenrollengewindetrieb in Kombination mit flüssigkeitsgekühlten Motoren geeignet. Mit diesem elektrischen Direktantrieb, der zum Beispiel in den hybriden Maschinen der Leistungsvarianten Premium und Ultimate verbaut ist, lassen sich alle Positionen extrem schnell und präzise anfahren und laststeife Kraftübertragungen sowie eine hohe Leistungsdichte realisieren. Auch über eine lange Lebensdauer hinweg und auch dann, wenn die Maschine unter Volllast läuft.

Die Kinematik des doppelten Fünf-Punkt-Kniehebels ist optimal auf den elektrischen Antrieb abgestimmt. Das sorgt für eine symmetrische Krafteinleitung bei Bewegungen und Zuhaltung, auch bei schweren Werkzeugen. Über eine servoelektrische Verstellung lässt sich der Kniehebel zudem komfortabel an unterschiedliche Werkzeugeinbauhöhen anpassen. Die optional erhältliche automatische Schließkraftregelung erzeugt eine gleichbleibende Zuhaltekraft und gleicht damit die Wärmedehnung des Werkzeugs automatisch aus.

Dynamische hydraulische Spritzeinheit

Weitere Voraussetzungen für die qualitativ hochwertige Teilefertigung sind eine homogene Materialaufbereitung und präzises Einspritzen. Die im Spritzgießen seit Jahrzehnten bewährten hydraulischen Antriebe punkten damit, dass sie ausgereift, robust, wartungsarm und langlebig sind. Sie eignen sich besonders gut für hohe Materialdurchsätze und erzielen hohe Kräfte, die sich auch für beliebig lange Nachdruckphasen aufrechterhalten lassen. Für hohe Plastifizierleistungen können bei den hybriden Allroundern je nach Leistungsvariante geregeltes Einspritzen, dynamische Hydraulikspeichertechnik und ein energiesparender servoelektrischer Dosierantrieb kombiniert werden.

Guido Frohnhaus, Geschäftsführer Technik bei Arburg, beschreibt: „In der neuen Maschinengeneration stecken viele technische Neuheiten, die es nur von und bei Arburg gibt. Dazu zählen ein neues Ölmanagement-Konzept, eine Förderstromteilung und erweiterter Einsatz der Arburg-Servohydraulik.“

  • Die neuen Maschinen „Allrounder 470 H Comfort“ sind geeignet für technische, dickwandige oder vergleichsweise einfache Spritzteile, die in Zykluszeiten von typischerweise zehn bis 45 Sekunden gefertigt werden. Die Energiebilanz dieser Leistungsvariante ist im Vergleich zu einer entsprechenden hydraulischen Maschine um bis zu 50 Prozent besser, Kühlwasser- und Ölbedarf um bis zu 35 Prozent reduziert, die Trockenlaufzeiten sind mit 1,4 Sekunden rund 30 Prozent kürzer. Der Antrieb erfolgt über eine robuste Kugelumlaufspindel.
  • Die hinsichtlich Produktionseffizienz weiter verbesserte Leistungsvariante „Premium“ erreicht Trockenlaufzeiten von 1,2 Sekunden. Mit ihr lassen sich vielfältige anspruchsvolle Anwendungen realisieren, wie zum Beispiel die Fertigung von Präzisionsbauteilen für die Automobil- und Elektronik-industrie. Zur Serienausstattung zählen ein Planetenrollen-gewindetrieb, die Funktion Arburg elektromechanisches Dosieren (AED) für längeres Dosieren. Hinzu kommt die neue Förderstromteilung von Arburg für gleichzeitige, unabhängige Bewegungen von zwei hydraulischen Nebenachsen.
  • Die höchste Leistungsvariante „Ultimate“ wiederum ist speziell für schnelllaufende und anspruchsvolle Prozesse wie zum Beispiel Dünnwandanwendungen in der Verpackungs¬technik ausgelegt. Die Trockenlaufzeiten sind mit 0,9 Sekunden im Vergleich zu „Premium“ noch einmal deutlich kürzer. Zum Serienumfang zählen hier ebenfalls AED sowie Hydraulikspeichertechnik und die Gestica-Steuerung mit der Funktion „aXw Control ScrewPilot“, der Störungen des Füllverlaufs kompensiert und die Formfüllung stabil hält. Damit lässt sich eine Einspritzpräzision auf dem Niveau einer elektrischen Spritzeinheit erreichen. Optional ist auch zyklusübergreifendes Dosieren möglich.

Reduzierter Energiebedarf: Einsparpotential von bis zu 12.000 Kilogramm CO2 im Jahr

Die Leistungsvarianten „Comfort“ und „Premium“ verfügen über die Arburg-Servohydraulik (ASH). Bei dieser Technologie passt sich das Antriebssystem über einen drehzahlgeregelten, wassergekühlten Servomotor stufenlos an den tatsächlichen Leistungsbedarf an. Großer Vorteil dabei: Bei Stillstand der Maschine steht auch der Pumpenantrieb, sodass es keine Leerlaufverluste mehr gibt. Das ermöglicht einen energieeffizienten und emissionsarmen Betrieb und spart bis zu 50 Prozent Energie, vor allem bei Prozessen mit langen Kühlzeiten. Mit einem Allrounder 470 H „Comfort“ lassen sich nach Anwendungsfall bis zu 12.000 Kilogramm CO2 im Jahr einsparen. Gleichzeitig reduzieren sich Kühlbedarf und Geräuschpegel der Maschine deutlich.

Förderstromteilung reduziert Zykluszeiten

Um trotz prinzipiell seriell arbeitender ASH-Technologie gleichzeitige Bewegungen zu realisieren, hat Arburg eine so genannte Förderstromteilung entwickelt, die bei der Leistungsvariante „Premium“ zum Einsatz kommt. Über die neue Varan-Ventiltechnologie mit integrierter Sensorik können damit zwei hydraulische Nebenachsen, zum Beispiel Kernzug und Auswerfer beim Werkzeugöffnen, parallel und unabhängig voneinander gefahren werden. Dabei teilen sich die Achsen bei Bedarf den verfügbaren Volumenstrom der ASH-Servopumpe. In Summe wirkt sich das doppelt positiv auf Energie- und Produktionseffizienz aus. Denn einerseits verbrauchen die Maschinen dadurch deutlich weniger Energie und andererseits reduzieren sich die Zykluszeiten. Und das ganz ohne Hydraulikspeicher oder Mehrpumpentechnologie mit zweitem Servomotor und zusätzlichem Frequenzumrichter.

Hohe Einspritzgeschwindigkeiten

Die hybriden Allrounder der Leistungsvariante „Ultimate“ arbeiten für höchste Anforderungen an Dynamik und Prozessfähigkeit mit Hydraulikspeichertechnik. Über separate Regelventile lassen sich hier alle Bewegungsachsen unabhängig voneinander ansteuern und fahren. Der Hydraulikspeicher sorgt für ein konstantes Druckniveau. Ergebnis sind dynamische, schnelle und gleichzeitige Bewegungen und mehr Möglichkeiten zur Prozesseinstellung, wie zum Beispiel Einspritzen beim Schließen des Werkzeugs oder Prägen. Mit einem hybriden Allrounder in der Leistungsvariante „Ultimate“ lassen sich Einspritzgeschwindigkeiten von bis zu 450 Millimetern pro Sekunde erreichen. „Künftig werden mit Ultimate-Maschinen sogar 550 Millimeter pro Sekunde und Beschleunigungen von bis zu 1 G möglich sein“, blickt Guido Frohnhaus stolz nach vorne.

Fazit

Der Spritzgießmarkt verlangt heute mehr denn je modular anpassbare Antriebstechnik, mit der sich die Vorzüge sowohl aus der elektrischen als auch der hydraulischen Welt nutzen lassen, nämlich Schnelligkeit und Präzision gepaart mit Kraft und Dynamik. Mit dem neuen „Allrounder 470 H“ hat Arburg eine moderne und kosteneffiziente Hybridmaschine geschaffen. Die neue, fein abgestufte hybride Maschinentechnologie ist hinsichtlich Trockenlaufzeiten und Einspritzgeschwindigkeiten vergleichbar mit vollelektrischen Maschinen. Damit sind die „neuen Hybriden“ von Arburg eine energiesparende Alternative zu hydraulischen und eine wirtschaftliche Alternative zu elektrischen Maschinen.