Arburg ermittelt aussagekräftigen Product Carbon Footprint

CO2-Bilanz von Spritzgießmaschinen

Bertram Stern, Sustainability Manager bei Arburg

Arburg beschäftigt sich schon sehr lange und intensiv mit dem Thema Nachhaltigkeit und Ressourceneffizienz. Als Lieferant von Allrounder-Spritzgießmaschinen wird der Maschinenhersteller von seinen Kunden vermehrt aktiv in die Bewertung von Klimaschutzaktivitäten entlang der gesamten Wertschöpfungskette eingebunden. Auf Basis des Standard ISO TS 14067:2015, der die Treibhausgasbilanz eines Produkts definiert, hat Arburg untersucht, wie sich der Product Carbon Footprint (PCF) und der spezifische Energiebedarf seiner Spritzgießmaschinen ermitteln lassen.

Mit dem „Green Deal“ der Europäischen Union wird die Reduktion des CO2-Footprints von Unternehmen und deren Produkten stark vorangetrieben. Um die strengen gesetzlichen Vorgaben erfüllen zu können und bis 2050 klimaneutral zu produzieren, müssen die Betriebe die Energie- und Ressourcen-Effizienz künftig deutlich steigern. Entsprechend ist Nachhaltigkeit bei vielen europäischen Kunststoffverarbeitern derzeit ein wichtiges strategisches Thema.

Gesetzlich verankert: CO2-Neutralität in Deutschland bis 2045

Das deutsche Klimaschutzgesetz geht noch einen Schritt weiter und fordert bis zum Jahr 2030 eine Reduktion der CO2-Emissionen um 65 Prozent und CO2-Neutralität bis zum Jahr 2045. Der international anerkannte Standard zur CO2-Bilanzierung - das „Greenhouse Gas Protocol“ - betrachtet unterschiedliche Emissionsbereiche (Scopes). Spritzgießmaschinen gehören zu Anlagengütern im Scope 3, in den indirekte Emissionen aus vor- und nachgelagerten Unternehmensprozessen einfließen. Arburg bringt sich als Maschinenhersteller beim Thema CO2-Bilanzierung aktiv und umfassend ein, um belast- und vergleichbare Kennzahlen zu liefern und die hoch gesteckten Klimaziele zu erreichen. Das belegt auch die überdurchschnittliche Einstufung „B“ im Carbon Disclosure Projekt (CDP).

PCF - Product Carbon Foodprint

Im Unterschied zum jährlich bilanzierten CO2-Fußabdruck für das ganze Unternehmen - dem Corporate Carbon Footprint (CCF) - umfasst der Product Carbon Footprint (PCF) die emittierten und entzogenen Treibhausgasmengen über die gesamte Lebensdauer eines Produkts hinweg. Angegeben als CO2-Äquivalent ist der PCF eine wichtige Kennzahl in der Ökobilanz. Die Leitlinien für die Quantifizierung und Berichterstattung bildet der internationale Standard ISO TS 14067:2018.

Für Spritzgießer relevant ist zunächst die Frage, mit welchem CO2-Fußabdruck die vom Hersteller produzierte Maschine im Betrieb ankommt. In seiner Betrachtung „Cradle to Gate“ zieht Arburg die zugehörige Systemgrenze von der Rohstoffgewinnung über die Herstellungsphase bis zum Werkstor. Auf diesen Zeitraum entfallen aber nur rund fünf Prozent der CO2-Emissionen. Über den gesamten Produkt-Lebenszyklus („Cradle to Grave“) hinweg entsteht der Großteil des PCF während der Nutzungsphase beim Kunden, hinzu kommen Emissionen im Rahmen der Distribution und Entsorgung.

Arburg erfasst die CO2-Emissionen bis zur fertig produzierten Spritzgießmaschine in vier Prozessschritten: Lackieren bzw. Beschichten, mechanische Be- und Verarbeitung, Elektrofertigung sowie Montage. Diesem betrieblichen Ablauf sowie den weiteren Phasen im Produktlebenszyklus lassen sich die eingesetzten Rohstoffe sowie der jeweilige Strombedarf zuordnen.

Rohstoffbezogene CO2-Emissionen

Die Stückliste einer Spritzgießmaschine kann, bis zur einzelnen Schraube heruntergerechnet, aus bis zu 11.000 Einzelpositionen bestehen. Für eine bessere Handhabbarkeit fasst Arburg die Rohstoffe in acht Materialgruppen zusammen. Ein Allrounder besteht demnach zu über 55 Prozent aus kunststoffbeschichtetem Eisenguss, zu weiteren rund 35 Prozent aus Stahl und Blech (warmbehandelt, lackiert, kunststoffbeschichtet oder unbehandelt). Kunststoff-Bauteile, Antriebe und Elektronik-Komponenten machen insgesamt nur rund sieben Prozent am Gesamtgewicht aus.

Die Materialgruppen unterscheiden sich deutlich hinsichtlich der CO2-Emissionen, die bei ihrer Erzeugung entstehen. Jedoch lässt sich analog der Verteilung ein gewichteter Mittelwert bestimmen. Dieser so genannte Emissionsfaktor beträgt für einen Allrounder rund 1,83 [kg CO2-Äquivalent pro kg Produkt]. Das CO2-Äquivalent für die komplette Spritzgießmaschine entspricht demnach dem Emissionsfaktor multipliziert mit dem im Datenblatt angegebenen Produktgewicht. Ein hybrider Allrounder 570 H mit 2.000 kN Schließkraft und einem Nettogewicht von 8.300 kg verursacht also bei seiner Herstellung rohstoffbezogene Emissionen von rund 15.190 kg CO2. Bei einem 3.300 kg schweren Allrounder der Baugröße 370 mit 600 kN Schließkraft beträgt das CO2-Äquivalent rund 6.040 kg.

Strombezogene CO2-Emissionen bei der Herstellung

In der Herstellungsphase trägt zudem der Strombedarf zum PCF bei. Basis für normierte Berechnungen sind - auf das Jahr 2020 bezogen - ein Strombedarf von 878,94 kWh pro 1.000 kg Produkt sowie ein Emissionsfaktor von 0,366 [kg CO2-Äquivalent pro kWh] für den Deutschen Strom-Mix. Auf Basis des Deutschen Strom-Mix beträgt der Strombedarf 2.900 kWh für den Allrounder 370 H und das CO2-Äquivalent rund 1.160 kg. Beim Allrounder 570 H liegt der Strombedarf demnach bei 7.295 kWh und die Emissionen bei rund 2.670 kg CO2.

Diese Beispielrechnung lässt sich jedoch nicht 1:1 auf Arburg übertragen. Denn das Unternehmen fertigt rund 60 Prozent seiner Allrounder-Komponenten selbst. Produziert wird ausschließlich am zentralen Standort in Loßburg, Deutschland. Dabei kommen CO2-neutrale regenerative Energien wie Photovoltaik, Windenergie und Geothermie sowie Blockheizkraft zum Einsatz. Der regionale Fremdbezug von Strom stammt seit dem Jahr 2016 vollständig aus ökologischen Quellen. Für den „Arburg Strom-Mix“ beträgt der Emissionsfaktor daher statt 0,366 nur 0,17. Konkret heißt das: Das strombezogene CO2-Äquivalent beträgt beim Allrounder 370 H tatsächlich nur 490 statt 1.160 kg, beim Allrounder 570 belaufen sich die Emissionen auf 1.240 statt 2.670 kg CO2. Aufgrund der hohen Eigenfertigungstiefe und des nachhaltigen Strom-Mix entstehen somit in der Herstellungsphase einer Arburg-Spritzgießmaschine strombezogen rund 53 Prozent weniger Emissionen als im deutschen Durchschnitt.

Addiert man die rohstoff- und strombezogenen Emissionen, ergibt sich für eine Betrachtung „Cradle to Gate“ ein CO2-Äquivalent von insgesamt 6.530 kg für den Allrounder 370 H bzw. von 16.430 kg für den Allrounder 570 H. Zum Vergleich: In Deutschland erzeugt jede Person pro Jahr durchschnittlich einen CO2-Fußabdruck von rund 12.000 kg, abhängig von Faktoren wie Konsum, Mobilität, Wohnen und Ernährung.

Anwendungsbezogener CO2-Fußabdruck in der Nutzung

Rund 95 Prozent des PCF einer Spritzgießmaschine entfallen auf ihrer Nutzungsphase. Wie viele Emissionen sie im täglichen Betrieb tatsächlich erzeugt, hängt von zahlreichen Faktoren ab. Bereits bei der Auswahl des Kunststoffs, dem Produktdesign und der Konstruktion des Spritzgießwerkzeugs werden wichtige Weichen gestellt. Eine wichtige anwendungsbezogene Kenngröße ist hier der spezifische Energiebedarf [kWh pro kg], der sich aus Leistungsaufnahme pro Materialdurchsatz ergibt. Als Faustregel gilt: Je kürzer die Zykluszeit und höher das Schussgewicht, desto kleiner ist der spezifische Energiebedarf und besser das CO2-Äquivalent.