Kreislaufwirtschaft: Weltweit erstes Fahrrad aus recyceltem Kunststoff

Keine Wartung, kein Rost: Igus setzt auf nachhaltige Mobilität

Das „igus:bike" besteht zu 100 Prozent aus Kunststoff, ist wartungsfrei und kommt ohne Schmiermittel aus.

Die Welt versinkt in Plastikmüll. Ein Teil des Plastiks landet im Meer, gelangt in die Nahrungskette und wird zur Gefahr für Tier und Mensch. Entsprechend dringend nötig ist die Abkehr von der Linearwirtschaft hin zur Kreislaufwirtschaft. Um diese Transformation zu unterstützen, entwickelt und investiert Igus seit Jahren in Ideen rund um das Recycling von Kunststoffen. Auf der Hannover Messe 2022 hat der Motion Plastics-Spezialist ein neues Konzept für ein Urban Bike präsentiert. Das Fahrrad ist wartungsfrei, ohne Schmiermittel und aus recyceltem Kunststoff nachhaltig produziert. Mit seiner Expertise in Kunststoffen für Bewegung macht das Unternehmen das Konzept und viele Bauteile auf der neuen „igus:bike Plattform" für alle Fahrradhersteller verfügbar.

Das robuste und langlebige Fahrrad besteht vom Rahmen über die Lager bis hin zum Zahnriemen zu 100 Prozent aus Kunststoff. Das Besondere: In einer geplanten Recycling-Version wird der größte Teil des Materials aus verbrauchten Kunststoffen stammen. „Das Plastik auf den Müllhalden dieser Welt wird zu einer wertvollen Ressource“, erklärt Frank Blase, Geschäftsführer von Igus. Er war es auch, der im Urlaub am Atlantikstrand die Idee zum später „igus:bike“ getauften Fahrrad hatte. Im Gespräch mit Angestellten eines Fahrradverleihs am Strand erfuhr er von ihren großen Problemen mit den Beachbikes. Diese waren dauerhaft Sand, Wind und Salzwasser ausgesetzt und hielten manchmal nur drei Monate durch, bevor sie ausgetauscht werden mussten. Wartung und Tausch sind in dieser Branche oft teuer und zeitaufwändig.

Rostfreies Fahrrad

Das „igus:bike" ist pflegeleichter als jedes andere Fahrrad. Besitzer können das Single-Speed Bike bedenkenlos bei Wind und Wetter im Freien stehen lassen und in Sekundenschnelle mit einem Gartenschlauch reinigen. „Da alle Bauteile aus Kunststoff bestehen, rostet nichts am Rad“, unterstreicht Blase und fügt hinzu: „Selbst im Getriebe. Ein Fahrradgetriebe aus Kunststoff war lange Zeit undenkbar.” Leichte und schmierfreie Hochleistungskunststoffe kommen überall am Fahrrad zum Einsatz, von 2-Komponenten-Kugellagern in den Radlagern bis hin zu Gleitlagern in der Sattelstütze, den Bremshebeln und Pedalen. Alle diese Bauteile verfügen über integrierte Festschmierstoffe und sorgen für den reibungsarmen Trockenlauf - ohne einen einzigen Tropfen Schmieröl. Sand, Staub und Schmutz können sich so nicht festsetzen. Diese Tribo-Kunststoffe von Igus werden in mehr als 70 Branchen beispielsweise in Automobilen, Ackerschleppern oder Robotern eingesetzt. Und auch in der Fahrradindustrie haben sie seit Jahrzehnten viele Fans. Sie bewähren sich dort bereits seit Langem, zum Beispiel in Mountainbikes und E-Cargobikes.

Neuentwicklung mit Erfahrung aus der Industrie

In den Igus Entwicklungslaboren beschäftigen sich aktuell acht Entwickler mit allen beweglichen Komponenten des Vollkunststoffahrrads. Koordiniert von Andreas Hermey, dem langjährigen Entwicklungsleiter Energieketten und in enger Zusammenarbeit mit dem Fahrrad Start-up MTRL aus den Niederlanden entstanden so Kugellager, Bremsen, Ritzel, Getriebe und Antriebe. Dabei wurden bereits bestehende und in der Industrie bewährte Entwicklungen an den neuen Einsatzzweck angepasst. Das Ergebnis sind leichtgängige, leise und haltbare Kunststoffkomponenten.

Plattform für Hersteller von Fahrrädern und Komponenten

Igus macht Fahrradherstellern auf der ganzen Welt mit seiner neuen Plattform das Angebot, diese Technologie gemeinsam voranzutreiben. Sie zeigt dabei fortlaufend den Stand und Fortschritt aller Komponenten und lädt explizit auch Marktbegleiter zur Teilnahme ein. „Wir möchten damit die Fahrradindustrie befähigen, Räder aus Kunststoff zu produzieren”, macht Frank Blase deutlich. Die aufgebaute Plattform soll zu einer Anlaufstelle für Hersteller werden, die ein Kunststoff-Fahrrad bauen möchten und gleichzeitig für alle geeigneten Komponenten-Hersteller, zum Beispiel von Rahmen, Rädern, Antrieben und Ritzeln aus Kunststoff. Bereits heute ergeben sich über die Plattform erste Kooperationen mit Unternehmen. Ein Beispiel ist Helix Eco für recycelte Kunststoffe.

Erstes Bike für Ende des Jahres geplant

Ein weiterer Partner ist das niederländische Unternehmen MTRL. Dieses Start-up hat in seinem Heimatland erfolgreich 400 Fahrräder mit Rahmen und Laufrädern aus Kunststoff auf die Straßen gebracht. „Mit den Gründern Johannes und Benjamin Alderse Baas haben wir Partner gefunden, die unsere Vision 1:1 teilen“, freut sich Blase, der selbst als Investor bei MTRL engagiert ist. „Gemeinsam gehen wir die Weiterentwicklung der Vollplastikfahrräder an.“ Das Fahrrad Start-up wird bis Ende dieses Jahres mit der Produktion und dem Verkauf eines Erwachsenenfahrrads für Städte und eines Kindermodells beginnen, in Deutschland startet die Markteinführung Anfang 2023. In Zukunft sind zudem weitere Versionen, beispielsweise ein E-Bike, geplant. Das Vollkunststoff-Fahrrad soll künftig sowohl in einer Variante aus neuem Kunststoff wie auch in einer Version aus 100 Prozent recyceltem Material verfügbar sein. Erste Prototypen wurden erfolgreich produziert und getestet, zum Beispiel aus alten Fischernetzen. MTRL plant lokale Produktionsstätten auf der ganzen Welt in der Nähe von Plastikmülldeponien. „Von Ocean Plastics zu Motion Plastics - das Konzept des „igus:bikes" hat das Zeug dazu, ein ökologisches High-Tech Produkt zu werden”, so Blase. „Wir haben noch viele Ideen, zum Beispiel die Zustandsüberwachung durch Smart Plastics von Igus einzubauen. So kann man auf dem Smartphone sehen, wie viele tausend Kilometer das Rad noch fährt. Und damit können wir dann hoffentlich viele Menschen überzeugen, die dem Kunststoff heute noch skeptisch gegenüberstehen.”

Nachhaltigkeit ist mittlerweile ein fester Bestand in der Igus Unternehmenskultur. So verfolgt das Unternehmen den ambitionierten Plan für eine klimaneutrale Produktion bis 2025 und hat im vergangenen Jahr bereits unterschiedliche Projekte in Angriff genommen.